masselmedia

Martin Sell gründete seine erste Firma „masselmedia“ 1999 noch während seines Ingenieur-Studiums an der Hochschule Mittweida (Sachsen). Das Unternehmen versteht sich als Vermittlerin zwischen den Medien – vom klassischen Print über interaktive Medien bis hin zur Filmproduktion. Zehn Jahre lang arbeitete Martin überwiegend im Bereich Dokumentarfilm.

Der massel Verlag führt die Geschäfte der Einzelunternehmung masselmedia weiter.

 

Verlagsprogramm

Unser Programm 2023 finden Sie hier.

Das Programm für Frühjahr 2024 wird gerade erstellt und demnächst hier veröffentlicht.

massel Verlag

Bücher wie Glück

Der massel Verlag ist erwachsen geworden. Neben unseren Kinderbüchern haben wir nun auch Sachbücher zu gesellschaftsrelevanten Themen im Programm. Als Quereinsteiger hat Martin Sell den Verlag 2019 gegründet und das Programm seitdem kontinuierlich ausgebaut.


 11. September 2023

Meine Vorstellung
von Martin Sell, Verleger

Im Sommer 2023 stand ich vor einer schwierigen Entscheidung. Welche Bücher und Autoren passen ins Verlagsprogramm? Soll ich meiner inneren Stimme folgen oder auf leise Mahner und andere Lautsprecher hören? Soll ich den schönen Schein wahren oder meine Hand in die Wunde legen? Kann ein falsches Wort oder ein verurteilter Autor meinen Verlag wirtschaftlich ruinieren? Werde ich als Verlag gemieden, weil ich Verfolgte aufnehme, mit Sündern esse, offen bleibe zum Gegensätzlichen? In welcher Gesellschaft lebe ich und in welcher will ich leben?

Mit diesen philosophischen Fragen beladen, kam ich ins Grübeln. Insbesondere, weil sich liebe Menschen von mir distanzierten und mir vorwarfen, naiv zu sein oder mich manipulieren zu lassen. Ein Social-Media-Post [1] mit Kommentaren folgte unmittelbar, darin wurde ich als eine Gefahr für Kinder (Verherrlichung von Alkoholkonsum) und als Verschwörer mit rechter Gesinnung (Verteidigung des Patriarchats) verunglimpft.

Im Folgenden will ich versuchen, zu erklären, was meine Philosophie und mein Glaubensbekenntnis sind. Streit ist notwendig für Fortschritt. Jeder vermeintliche Sieg führt zu einer Vernichtung von Vielfalt. Deshalb will ich mich nicht als Richter aufschwingen und Argumente oder Sprecher in Schubladen einsortieren: gut, böse, wahr, falsch, rechts, links, gottesfürchtig, ungläubig, …

Mein Kriterium soll sein, ob das Thema entwicklungsfähig ist und ob ein solcher Fortschritt eine Verbesserung für die Gesellschaft (und damit auch für meine Kinder und mich selbst) bringen könnte. Außerdem glaube ich, dass meine Schwäche durch die Stärke meines Nächsten ausgeglichen werden kann. Und genauso, dass ich an meinen eigenen Fehlern wachsen, aber auch von Fehlern anderer lernen kann. Das krampfhafte Vermeiden von Fehlern ist genauso fatal, wie einem Kind verbieten zu wollen, Fragen zu stellen.

Ich habe kein Rezept und will keine Ratschläge geben. Die Sachbücher, die im massel Verlag erscheinen, sind „Spurensuchen“. Ich lade alle herzlich ein, mit den Autoren und mir gemeinsam wachsam Muster in unserer Gesellschaft zu entdecken und darüber Geschichten zu erzählen.

„Fürchtet euch nicht!“

Von Berufs wegen bin ich besonders kritisch den Medien gegenüber eingestellt. Das erste Buch „Alice im Neuland“ war der Versuch, das Internet aus ganz verschiedenen und ungewöhnlichen Perspektiven zu betrachten: märchenhaft, philosophisch, technisch, fantasievoll und sachlich. Walter van Rossums Buch „Alternativen in Medien und Recht“ führt diese Kritik noch etwas grundsätzlicher und radikaler fort, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Leitmedien betreffend. Dabei geht es uns nicht um das „früher war alles besser“, sondern um den Diskurs für eine Vision der Zukunft. Nur wer weiß, woher man kommt und wohin man will, kann weitergehen, ansonsten dreht man sich doch im Kreis.

Auch das Buch von Bastian Barucker „Auf Spurensuche nach Natürlichkeit“ kann man einfach konservativ missverstehen. Alle zurück in die Wildnis! Aber das ist nicht unser Wunsch. Wir stehen für Fortschritt, vor allem aber für Gemeinschaft. Der Mensch allein ist nicht überlebensfähig. Nur in der Gruppe und im Einklang mit der Natur wird Menschlichkeit gelingen, alles andere führt zu Krieg, Depression und Zerstörung aller Lebensräume. Hieran knüpft das zweite Buch der Reihe „The Great WeSet“ von Ulrich Gausmann an. In „Wirtschaft und Finanzen neu gedacht“ werden Projekte und Initiativen vorgestellt, die einer Revolution der Menschlichkeit den Boden bereiten.

Erwachsen werden

Als ich volljährig wurde, war ich katholisch engagiert und es gab noch die Wehrpflicht. Ich verweigerte! In meiner Erinnerung argumentierte ich überwiegend mit meinem christlichen Glauben und der Überzeugung, dass dauerhafter Friede nur mit friedlichen Mitteln erreicht werden kann. Seitdem habe ich meinen Feinden auch die andere Wange hingehalten. (Mt 5,39) Erst kürzlich lernte ich in der arte-Dokumentation [2] Muhammad Ali nicht nur als Boxer, sondern zuerst als Mensch kennen. Er bekannte sich zum Islam, lehnte aber Gewalt (den Vietnam-Krieg) ab und riskierte für seine Überzeugung Berufsverbot und Gefängnis.

Mit der Wahl meines Studiums, meinem Exodus aus Westdeutschland in die blühenden Landschaften des Ostens und dem Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung (journalistische Nachwuchsförderung) begann meine persönliche Freiheit und Selbstfindung. Trotz vieler Versuchungen habe ich keine Partei genommen, mich aber immer wieder an vermeintlichen Wahrheiten und Autoritäten abgearbeitet. Mein geschichtliches und theologisches Interesse gilt dem Gemeinschaftsleben von Kibbutz (Israel) bis Bruderhof (USA), sowie der Warnung vor dem schleichenden Gift totalitärer Systeme, das in der NS-Zeit seinen tödlichsten Kipppunkt erreichte. Doch auch die Methoden der Stasi, der sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche oder der IS-Terror sind unfassbare, menschenverachtende Auswüchse von Ideologien.

Trotz dieser schrecklichen Geschichte glaube ich noch immer an das Gute im Menschen, vielleicht an den einen Schöpfer-Gott. Gleichzeitig sehe ich die Gefahr der Wiederholung von Geschichte als zunehmend real. Die Glaubenssätze verändern sich, doch die Auswirkungen auf die Ungläubigen können auch heute noch tödlich wirken. Gott bewahre!

Begegnung und Vergebung

Die folgenden zwei Bücher sind nicht in meinem Verlag erschienen, sind aber vielleicht dennoch hilfreich, um meine Vorstellung zu verstehen. Die Begegnung: Eine Geschichte über den Weg zum selbstbestimmten Leben von Jochen Schweizer und Im Grunde Gut: Eine neue Geschichte der Menschheit von Rutger Bregman.

Nach all den Begegnungen und literarischen Vorbildern könnten Sie zu dem Schluss kommen, dass ich mich von dem seit meiner Kindheit hochgehaltenen katholischen Glauben entfernt habe. Das ist richtig und doch irgendwie falsch. Meiner Meinung nach benötigen wir diese allumfassende Offenbarung des einzig wahren „Mensch und Gott“ heute umso dringender. Nur so scheint mir Vergebung möglich. Außerdem schadet es sicherlich nicht, dem anderen erstmal gute Absichten zu unterstellen. Aus diesem Wissen heraus können wir dann befreit streiten – und die Welt heilen.

Das Titelbild von Eva Urbans Buch „War da was?“ ziert eine Kirchenruine. Es visualisiert recht gut meine oben angedeuteten Gefühle. Aber es ist ein früher Morgen und so bin ich voller Zuversicht, dass aus diesen Steinen neues Leben erwacht. Unser zweites Hardcover-Buch des Jahres 2023 ist letztlich auch nur mit diesem Hoffnungsschimmer am Horizont lesbar. „Gefangen in einer Welt voller Widersinn“ von Linus Förster nimmt den Strafvollzug in den Blick. Glauben wir noch an die Möglichkeit der Resozialisierung? Ich wünsche Linus Förster, dass er als Autor und Mensch wertgeschätzt wird und dass Veränderung, vielleicht Reformen möglich werden.

Henry David Thoreau beschrieb vor 200 Jahren in Walden oder Leben in den Wäldern seine Erkenntnis in der Wildnis. Er verweigerte die Zahlung von Steuern, da er fürchtete, damit indirekt den Krieg der Vereinigten Staaten gegen Mexiko zu unterstützen. Er ging ins Gefängnis. Sein Essay Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat [3] inspirierte Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela und viele andere zum gewaltlosen Widerstand.

Die Spurensuche in der Natur von Bastian Barucker und die Betrachtungen über den Strafvollzug von Linus Förster bilden für mich eine Art Walden 2.0! Hiermit schließe ich den Kreis zurück zu den Kinderbüchern im massel Verlag. In der Geschichte „Mio und die Funkelsteine“ wird ein Dieb überführt. Doch die Wichtel verurteilen ihn nicht, sie feiern mit ihm ein Fest. Eine ähnliche Erzählung habe ich von einem afrikanischen Stamm gehört:

Bei den Himba, Rinderhirten im Nordwesten Namibias, erhält jedes Kind von der Mutter sein Seelenlied schon im Mutterleib. Das Lied wird gesungen bei der Geburt und am Sterbebett. Wenn ein Menschenkind einen Fehler macht oder sogar ein Verbrechen verübt, so versammelt sich die ganze Dorfgemeinschaft und singt sein Lied. Gemeinsam fühlen die Himba, dass ein unglückliches Verhalten nicht nach Bestrafung, sondern nach Liebe ruft. Durch Erinnerung an die Schönheit der Seele und die gnädige Hilfe der „Brüder und Schwestern“ kann ein Mensch neu geboren werden. [4]

Ein Pferd rennt verkehrt

Jetzt habe ich sehr weit ausgeholt. Aber meine Zeitreise, die Stationen meines Weges und die vielen Engel, die mich führten, waren notwendig, um vielleicht ansatzweise verstehen zu können. Während der Jahre, in denen ich Dokumentarfilme machte, nannte ich meine Produktionsfirma masselmedia und verwendete den Slogan Die Welt abbilden. Das Logo zeigte zwei Hände, die ein Rechteck formten. In diesem Rahmen oder Ausschnitt können wir die Welt wahrnehmen. Je weiter wir hineinzoomen, umso mehr erkennen wir, gleichzeitig wird aber auch immer mehr ausgeblendet. Es gibt kein vollständiges Bild.

Ich habe von meiner Kriegsdienstverweigerung erzählt. Ich ging meinen eigenen Weg, der manchmal entgegengesetzt der Mehrheit verlief. In dieser Zeit lernte ich Birgit Jaklitsch kennen und sie schenkte mir ihr kleines Büchlein „Ein Pferd rennt verkehrt“. Damals hatte ich noch keine Filme, Internetseiten oder Bücher im Sinn! Das Buch hat meine drei Kinder begleitet, sie wollten die Verse wieder und wieder hören. Es ist Okay, anders zu sein! Blau, nicht im Sinn von besoffen, sondern eher erinnernd an die blauen Reiter, die Wegbereiter der modernen Kunst geworden sind.

In dem oben geschmähten Bild und Gedicht sehe ich eine kluge Herrschaftskritik. Natürlich steht es jedem offen, etwas anderes zu entdecken oder hineinzuinterpretieren. Die Mehrheit arbeitet für die Herrschaften oben auf dem Berg. Sie wälzt die Fässer hinauf. Wie bei Sisyphus eine anstrengende und oft vergebliche Mühsal. Die Mächtigen benötigen die Drogen (in den Fässern) genauso wie die Sklavenarbeit der Pferde. Aber ein Pferd = Mensch widersetzt sich. Ich identifiziere mich mit diesem blauen Pferd, mit einer alternativen Handlung.

Mensch kann in dem blauen Pferd aber auch Jesus und Thoreau und viele andere Helden erkennen. Das blaue Pferd entzieht den Herrschaften ihr Lebenselixier. Es rollt das Fass weg, wieder den Berg hinab. Es folgt nicht den anderen Pferden. Es bleibt einzigartig. Ich bin ich.

Auch in dem zweiten kritisierten Text kann ich keine Verteidigung des Patriarchats erkennen, ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass sich jede/jeder, die/der das Büchlein liest, mit dem Pferd identifiziert und merkt, dass hier mit „verkehrt“ genau das Gegenteil gemeint ist. Der Machthaber und Experte hat nur seine Medizin im Sinn, alle wollen sein Produkt dem Frosch verkaufen. Jeder kennt die Märchen, die meisten sind auf Belohnung aus. Das blaue Pferd symbolisiert für mich das Weibliche [5], es geht einen eigenen Weg und verlässt die Burg des Königs. Während die anderen in die Sterne gucken und der Vater schläft, beschützt die Mutter ihre Kinder auch in der Nacht!


Quellen:

  1. #dasleseichnichtvor Instagram, Facebook
  2. Ken Burns' Doku-Epos über Boxlegende Muhammad Ali, ARTE Presse
  3. Die Pflicht zum Ungehorsam, manova.news
  4. Vom Seelenlied der Himba, krankenhausberater.de
  5. Die Weisheit der Mütter, nachhall.net

 


שלום – shalom und Grüß Gott!

Unsere Bücher vereinen skandinavische Lebensart und bayerische Gemütlichkeit. Wir sind eher unpolitisch, aber der Ausspruch „Laptop und Lederhose“ beschreibt unser Programm sehr gut. Wir sind auch eher nicht religiös, aber das jüdische Weltbild mit den christlichen und muslimischen Denominationen prägt unsere Literatur. Unser Logo erinnert an hebräische Buchstaben, ist aber eine moderne, lateinische Schrift mit dem wunderbaren Namen „Bagel“. Gebäck stärkt  unseren Leib und Worte stärken unsere Seele.

Der Name „massel“ bedeutet im Jiddischen „Glück“, auch „Fortüne“, und wurde dem hebräischen מזל entlehnt. Gleichzeitig erinnert uns dieses jüdisch-deutsche Wort auch an die größte anzunehmende Katastrophe, die Shoah. Weil mit der Shoah die Kultur des Shtetl und des Jiddischen ausgelöscht wurde.

Wir wollen mit unserem Verlag Brücken bauen, zwischen der Vergangenheit und der Moderne, zwischen Geschlechtern und Generationen, zwischen Analogem und Digitalem. Jeder hat es schon gemerkt, das Auseinander-Brechen der Gesellschaft, der Riss, sie existieren. Und werden immer größer.

Gegründet wurde der Verlag von Martin Sell als Einzelunternehmung. MASSEL ist also auch ein Akronym. Nomen est Omen.

Als in Deutschland aufgewachsener Christ sehe ich – nach dem Schrecken des Nationalsozialismus  und der Shoah – meine persönliche Verantwortung im jüdischen Konzept des „Tikkun Olam“, auf Deutsch etwa: Die Welt heilen. Dabei soll dieses „Heil-Machen“, „Reparieren“ weniger als religiöse oder politische Aufgabe verstanden werden. Vielmehr möchte ich mit dem massel Verlag durch Aufklärung und Bildung friedensstiftend wirken.

Martin Sell
Im März 2020