Gefangen in einer Welt voller Widersinn

Linus Förster, ehemaliger SPD-Abgeordneter, Musiker und Autor, enthüllt in seinem Buch »Gefangen in einer Welt voller Widersinn« die düsteren Kapitel seiner Zeit im Gefängnis. Als Mitglied des Bayerischen Landtags und Gefängnisbeirat sah er sich plötzlich selbst auf der anderen Seite der Gitter. Doch seine Geschichte ist mehr als nur ein Abstieg; sie ist ein Zeugnis von Überleben, Selbstreflexion und dem Willen zur Wiedergutmachung.

Dieses Buch erzählt die Geschichten von verschiedenen Inhaftierten, die Linus Förster während seiner Zeit im Gefängnis kennengelernt hat. Diese Geschichten beleuchten exemplarisch die tiefgreifenden Probleme und Herausforderungen, mit denen Strafgefangene konfrontiert sind, angefangen bei den Haftbedingungen bis hin zur Entlassung und Reintegration in die Gesellschaft. Es zeigt die oft unmenschliche Seite der Inhaftierung und hebt hervor, wie dringend Veränderungen und Reformen benötigt werden.

Als ehemaliger bayerischer Landtagsabgeordneter und Gefängnisbeirat möchte der Autor auf die Schwächen und Unzulänglichkeiten unseres Justizsystems aufmerksam machen. Er geht auf die Mängel in der Gesetzgebung ein, die den Weg zur Resozialisierung erschweren, und zeigt auf, wie unsere Politik versagt hat, den Bedürfnissen und der Rehabilitation von Strafgefangenen gerecht zu werden.

Ziel ist es, nicht nur das Bewusstsein für die Defizite im Justizvollzug zu schärfen, sondern auch zu einer dringend benötigten Diskussion über Reformen anzuregen. Die Per­spektiven, die in diesem Buch präsentiert werden, sind nicht nur für Politiker von Bedeutung, sondern für alle Mitglieder der Gesellschaft wichtig.

 

Linus Förster ist in mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnlicher Straffälliger und ehemaliger Inhaftierter. Er hat einen völlig anderen Hintergrund als die Mehrheit der Gefangenen (…) Er war auf der Seite des Staates und derjenigen, die Gesetze machen. Er war Vertreter des Volkes, in dessen Namen er dann verurteilt und inhaftiert worden ist. Seine Verurteilung war tatsächlich öffentlich. Als Prominenter wurde er persönlich an einen Pranger gestellt, der heute noch steht. Man braucht ihn bloß zu googeln.

Der Anspruch des Strafvollzuges, Straftäter zu resozialisieren, wird durch Linus Förster, der für seine gesellschaftliche Integration nach der Haft hart kämpfen muss, in besonderem Maße in Frage gestellt. Er gibt mit dem vorliegenden Buch jedoch nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Mitinhaftierten eine Stimme, und berichtet auf sehr anschauliche und spannende Art und Weise aus der Welt hinter Mauern und Stacheldraht.

Auch damit nimmt er Verantwortung war, und gibt uns die Chance, näher hinzusehen und zu lernen.

Thomas Galli, ehem. Gefängnisdirektor (S. 413)

 

Autor

 Linus Förster

Heinrich Linus Förster

geboren am 2. August 1965 in Augsburg, studierte nach seinem Abitur Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft an der Universität Augsburg, wo er nach Abschluss seines Studiums zum Thema Systemtransformation am Beispiel der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus, promovierte (Dr. phil).

Nach Jahren als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Wissenschaft der Universität Augsburg und als selbstständiger Unternehmensberater und Coach, engagierte sich Förster aktiv in der politischen Landschaft. Im Jahr 1984 trat er der SPD bei und blieb ihr bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2016 treu. Von 2003 bis 2016 war Förster Mitglied des Bayerischen Landtags. Während dieser Zeit übernahm er auch den stellvertretenden Vorsitz des Gefängnisbeirats der JVA Niederschönefeld, gewann so Einblicke in das Justizsystem und setzte sich für Reformen ein.

Neben seinem Beruf und den politischen Aktivitäten war Förster seit den 80er Jahren bis heute aktiver Musiker, mit Platten- und CD-Produktionen, Tourneen in Deutschland und Osteuropa und zahlreichen Live- und Fernsehauftritten. Im Landtag war er Mitglied der SPD-Kabarett-Gruppe "Hohn und Spott", von 2012 bis 2016 des multimedialen Theaterensemble „BluespotsProductions“.

Im Jahr 2016 geriet Förster aufgrund schwerwiegender Vorwürfe in die Schlagzeilen. Er legte seine politischen Ämter nieder, trat aus der SPD aus und wurde 2017 wegen sexuellen Missbrauchs und anderer Delikte verurteilt. Aufgrund guter Führung und nachdem er eine Therapie abgeschlossen hatte, wurde er im August 2019 vorzeitig entlassen.

Während seiner Haftzeit begann Förster literarisch zu arbeiten und veröffentlichte Kurzgeschichten, die seine Erfahrungen im Gefängnis reflektierten. Sein Buch "Gefangen in einer Welt voller Widersinn", das 2024 erschien, dokumentiert auf eindringliche Weise seine persönlichen Erlebnisse und die Herausforderungen, denen er während seiner Zeit hinter Gittern begegnete. Förster erhielt 2018 den Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für eine Kurzgeschichte, die auch im Buch enthalten ist.

 

 

 

Leseprobe

Vorwort

 

LESEPROBE: Gefangen in einer Welt voller Widersinn

 

Eigentlich musste ich nicht lange überlegen, als Dr. Linus Förster mich am Telefon fragte, ob ich ein Vorwort zu seinem Buch schreiben könnte. Zwar erbat ich von ihm, dass er mir vorab das Manuskript schicken solle, aber ich hatte noch aus dem Gefängnis seinen ersten Bericht über die Zeit im Untersuchungsgefängnis erhalten und war mir deshalb sicher, dass ich dies tun könne.

Die Nachricht von seiner Verhaftung hatte mich schockiert. Ich konnte nicht einordnen, was in den Zeitungen stand: Ich glaubte, einen anderen Linus Förster zu kennen. Erst als er sofort seine Schuld eingestand, sein Mandat niederlegte und aus der SPD austrat, realisierte ich seine Tat.

Dr. Linus Förster kam 2003 in den Bayerischen Landtag und wurde Mitglied des Ausschusses Bundes- und Europaangelegenheiten. Dort war auch ich Mitglied, allerdings in der Regierungspartei. Wir arbeiteten erstaunlich gut zusammen. Ich schätzte seinen Fleiß und Einsatz, er war immer sehr gut informiert und vorbereitet. Beide waren wir Sprecher unserer Fraktionen und uns einte der Wunsch, die Bedeutung dieses Gremiums zu verbessern. Wir hatten noch mehr gemeinsam: das Studium der Politikwissenschaften, den gleichen akademischen Lehrer, das Interesse an internationalen Fragen, vor allem die Erfahrungen durch Aufenthalte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Osteuropa und Russland. Viele Ausschussreisen in ganz Europa und Indien, auf denen man sehr viel über die Mitreisenden erfährt und lernt, abseits von politischer Sacharbeit und Parteizugehörigkeit, prägten mein Bild von Linus Förster positiv. Gerne erinnere ich mich an meinen Abschied aus dem Landtag. Linus brachte seine Gitarre mit und spielte und sang zu meinen Ehren.

Eine völlig andere Bedeutung gewannen jedoch für mich nach Bekanntwerden seiner Taten die persönlichen Gespräche über die Problematik von Frauenhandel und Prostitution. Nicht im Traum hätte ich mir vorstellen können, dass Linus Förster hier nicht mit mir übereinstimmt, ja völlig gegensätzlich gehandelt hat. Klar wurde mir, dass gerade sexuelle Fragen und Vorlieben von Leuten, die man zu kennen glaubt, völlig im Dunkeln bleiben und ein anderes Licht auf die Persönlichkeit werfen können.

Dennoch, trotz eines von mir zutiefst abgelehnten Verhaltens gegenüber Sexualität und Frauen, schreibe ich dieses Vorwort für das vorliegende Buch.

Ich habe es mit zunehmendem Interesse gelesen und finde, dass die persönlichen Schilderungen der Erfahrungen mit der Institution Gefängnis und die Auseinandersetzung mit den Umständen zum Nachdenken und zur Diskussion anregen können. Beeindruckend, und für mich durchaus glaubhaft, ist die Konfrontation mit der Schuld und dem Eingeständnis des Fehlverhaltens. Am untersten Ende der Hierarchie der Täter zu stehen, musste gerade für ihn, der immer positiv gesehen werden wollte, eine bittere Erfahrung gewesen sein. Aber auch vor allem die Reaktion all derer, die ihn nicht selten bewundert haben, und die Bewertungen der Öffentlichkeit nach Bekanntwerden seiner Taten, waren für ihn schwer zu akzeptieren. Es gelang nur schmerzhaft und mühsam. Der Absturz, nicht nur finanziell, sondern gerade im Ansehen als erfolgreiche und beliebte Persönlichkeit, hätte tiefer nicht sein können und dauert auch nach Abbüßen der Strafe noch an …

Die Schilderungen der Untersuchungshaft, die Haft selbst, die Therapie und die Entlassung zurück in das Leben danach werden in dem Text sehr anschaulich dargestellt. Die Verweise auf die jeweilige Gesetzeslage mit juristischen Erläuterungen – aber auch unterschiedlichen Auslegungen – sind sehr nützlich und ergänzen die Ausführungen. So werden die täglichen Abläufe im Gefängnis und die Regeln verständlich, aber auch infrage gestellt. Auch wenn man die Schlussfolgerungen und Vorschläge für eine Reform des Strafvollzugs nicht teilen muss: Sie sind ein guter Einstieg und diskussionswürdig. Ich empfehle die Lektüre des Buches durchaus politischen Entscheidungsträgern, denn Theorie und Praxis fallen doch sehr auseinander.

Das Buch eröffnet auch viele Einblicke auf das Leben von Personen, die straffällig wurden und/oder immer wieder werden. Manches an den zugrundeliegenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen werden in diesem Buch deutlich thematisiert und sie sind durchaus politisch veränderbar. Die unterschiedliche Bewertung der Delikte durch Gesetzgebung aber auch durch die Öffentlichkeit werden problematisiert.
Verunsichert zurück verbleibt man nach der Lektüre einzelner Kapitel, insbesondere auch nach dem über einen möglichen Neuanfang nach Verbüßung der Strafe. Auch Linus Förster hat dies bitter erfahren müssen. Ich selbst habe mehrfach bei Anrufen, in denen ich mich dafür einsetzte, ihm beruflich, auf Grund seiner vielfältigen Kenntnisse und Erfahrungen, eine Chance zu geben, dies gespürt. Eine echte Bereitschaft, darüber nachzudenken, war nicht vorhanden. „Selbst schuld“ war wohl der überwiegende insgeheime Gedanke.

Resozialisierung sieht anders aus.

Es ist durchaus möglich, dass nicht verstanden wird, dass ausgerechnet ich, als frühere Kollegin, als Frauenrechtlerin und politisch Andersdenkende dieses Vorwort schreibe, meine positiven Erfahrungen ausdrücke und für dieses Buch werbe. Ich bin der Überzeugung, dass unsere Gesellschaft bereit sein muss, einen Neuanfang zu unterstützen und menschliches Vertrauen zu schenken. Selbst wenn nie auszuschließen wäre, dass das Eingeständnis von Schuld und der Erfolg einer Therapie keinen Bestand hätte.

Prof. Ursula Männle im Oktober 2023